Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust gehabt hinzugehen. 30 Jahre Konfirmation – was hatte ich dort zu suchen? Dort unter all den anderen, jetzt Mitte 40, die ich zum größten Teil das letzte Mal in der Kirche gesehen hatte, ich wie gefangen in meinem weißen Konfirmandenkleid, sie selbst ebenfalls in unbequemen weißen Kleidern oder dunklen Anzügen, ein vollkommen ungewohntes Bild, denn meistens liefen wir natürlich in Jeans und Parka herum. Ich kannte nicht einmal mehr die Namen der Mitkonfirmanden, die jetzt zur 30-Jahres Feier eingeladen hatten, und auch die meisten anderen Namen waren mir entfallen. Nach der Konfirmation hatte ich kaum noch Kontakt mit einem von ihnen gehabt; zumal meine Eltern kurz darauf umgezogen waren. Mit der Kirche hatte ich ohnehin nie viel zu tun gehabt; nur war ich formal immer noch Mitglied, so wie damals, als eine Art Zwangsmitgliedschaft.
Auch die Konfirmation war für mich eigentlich nur etwas gewesen, was es mir möglich gemacht hatte, endlich den neuen Radiorecorder zu kaufen, wegen der ganzen Geldgeschenke aus Verwandtschaft und Bekanntschaft, und ansonsten hatte es einen freien Tag in der Schule bedeutet, nach der überaus steifen und langweiligen Feier am Sonntag. Daran wollte ich nicht unbedingt erinnert werden. Trotzdem schaffte ich es nicht, die Einladung gleich wegzuwerfen, wie ich das im Grunde gewollt hatte. Wenn man 45 ist wie ich, also eine reife Frau, dann beginnt man auf einmal, das Leben mit ganz anderen Augen zu sehen. Rückblicke werden nicht mehr als unnötige Sentimentalität abgetan, sondern gehören zum Alltag dazu. Reife Frauen denken sehr oft an die Zeiten, in denen sie noch jünger waren. Nicht unbedingt immer mit Wehmut. Denn gerade reife Frauen erkennen den Wert der Lebenserfahrung, den man mit über 40 erworben hat. Sie ist mindestens ebenso viel wert wie jugendlich straffes Aussehen, von dem reife Frauen nichts mehr zurückbehalten haben.
Es mag natürlich auch sein, dass wir reife Frauen ab 40 uns unser Alter ein bisschen schönreden und nur deshalb auf unsere Lebenserfahrung pochen, weil wir sonst nicht mehr viel zu bieten haben. In den Spiegel zu schauen, ist ab 40 keine Freude mehr. Natürlich, auch reife Damen bekommen es noch oft zu hören, dass sie ja noch richtig gut aussehen. Die Betonung liegt dabei allerdings auf „noch“, und im Zweifel wird sogar noch der Nebensatz angehängt „für Ihr/dein Alter“. Ja, für mein Alter, also für über 40, sah ich sicherlich noch gut aus. Trotzdem konnte ich mit all den jüngeren Frauen nicht mithalten. So hatte das wenigstens mein Mann gesehen und hatte sich anderthalb Jahre zuvor mit einer Mitte 30-Jährigen aus dem Staub gemacht. Wenn es wenigstens ein Teenie gewesen wäre, meine Nachfolgerin bei meinem Mann, der demnächst mein Ex-Mann sein würde; sobald die Scheidung durch war. Dann hätte ich mir einreden können, dass er einfach nur auf extrem junge Mädchen steht.
Aber eine Frau Mitte 30 ist ja nun auch nicht mehr jung. Sie hat mir als Frau über 40 nur die entscheidenden zehn Jahre voraus. Meinem Selbstbewusstsein hatte die Trennung nicht unbedingt gut getan. Nicht dass ich meinen Mann noch geliebt hätte; nach fast 20 Jahren Ehe war das mehr oder weniger bloß noch eine Zweckgemeinschaft, eine Formsache; wie meine Mitgliedschaft in der Kirche. Aber so leichthin beiseitegeschoben zu werden für eine zehn Jahre jüngere Frau, so, als ob die gemeinsam verbrachten Jahre gar nichts zählten im Vergleich zu den zehn Jahren weniger, die seine neue Freundin an Falten und grauen Haaren, an Hängebusen und Hängearsch, an Cellulitis und Schlupflidern und so weiter aufzuweisen hatte, was halt alles für alte Frauen den Zahn der Zeit manifestiert, der an ihnen genagt hat, das war schon hart gewesen. Seitdem hatte ich mit Männern nichts mehr zu tun haben wollen. Ich war es ohnehin nicht mehr gewohnt, mich um erotische Kontakte zu bemühen, wusste gar nicht mehr, wie man das anfängt. Außerdem misstraute ich Männern nun grundsätzlich und war innerlich auch fest davon überzeugt, ich hätte ihnen nichts zu bieten.
Neulich hatte ich in einer Frauenzeitschrift beim Zahnarzt gelesen, dass es viele Männer gibt, die gerade auf reife Frauen und alte Damen stehen. Ich habe nur bitter gelacht. Was wussten der Verfasser oder die Verfasserin schon davon! Das war ein dummer Spruch, dazu gedacht, alte Weiber ein bisschen aufzumuntern und ihnen ein gutes Gefühl zu verschaffen, mehr nicht. Ich schaffte es ja nicht einmal, gleichaltrige, reife Männer für mich zu interessieren, geschweige denn jüngere Männer. Nicht dass ich es versucht hätte, Erotikkontakte zu finden, wie gesagt – aber ich kam mir, wenn ich durch die Stadt lief, im Bus saß oder anderswo in der Öffentlichkeit auch immer vollkommen unsichtbar vor. So, als ob alte Weiber ab 40 für die Welt nicht mehr existierten; und für die Männer, gleich welchen Alters, schon gleich gar nicht. Und in dem Zustand, mit solchen Gedanken sollte ich mich den kritischen Blicken dieser anderen alten Weiber und alten Männer aussetzen, die ich zum größten Teil doppelt so lange nicht gesehen hatte, wie wir damals alt gewesen waren? Und die sich alle gegenseitig mehr oder weniger kritisch beäugen würden, mit der großen Frage in den Augen, wer im Leben mehr erreicht hatte? Wozu denn?
Dass ich dann am Ende doch bei dieser Feier aufgetaucht bin, das hatte als Grund mehr oder weniger Langeweile. Seit mein Mann zu seiner Freundin gezogen war, hatte ich einfach so unglaublich viel Zeit, dass ich oft gar nicht wusste, wie ich sie totschlagen sollte. Da war mir jeder Anlass recht, ein paar Stunden oder gar einen halben Tag etwas vorzuhaben, was mir die langen einsamen Wochenenden leichter zu ertragen machen würde, wo ich nicht wie unterhalb der Woche meinen anstrengenden Job hatte, um mich abzulenken und zu beschäftigen. Es war ziemlich kurzfristig gewesen, dass ich mich entschlossen hatte, doch auf dem Konfirmandentreffen zu erscheinen, so dass ich auch keine Chance gehabt hatte, noch einmal extra dafür durch einen Besuch bei meiner Kosmetikerin und in meiner Lieblings-Boutique mit den Outfits, wie geschaffen für reife Damen, die Pölsterchen an den falschen Stellen verstecken und so alte Damen ein bisschen jünger aussehen lassen, dafür zu sorgen, dass ich auch einen richtig guten Eindruck machte. Nein, als ich morgens aufwachte, und da war es nun einmal ein Sonntag, wo nichts mehr zu machen war und solche Hilfen außerhalb meiner Reichweite lagen, wusste ich plötzlich, ich fahre doch hin. Es war ein ganz spontaner Entschluss. So musste ich mich mit dem für die Feier zurechtmachen, was mir mein Kleiderschrank und meine eigenen Kosmetikkünste an Möglichkeiten boten. Trotz der doch recht begrenzten Auswahl brauchte ich drei Stunden, bis ich mich dann am Ende ganz spontan für etwas ganz Ungewöhnliches entschied. Zu einer wirklich schicken Satinbluse in einem warmen Goldton, der zu der Tönung in meinen langsam grau werdenden Haaren passte, mit passenden Ballerinas in fast genau demselben Farbton, schlüpfte ich einfach in ein Paar Jeans. Ich hatte schon ewig keine Jeans mehr getragen. Das ist ja nun auch wirklich nicht die erste Wahl der Kleidung für Frauen ab 40. Aber irgendwie hatte ich Lust dazu. Vielleicht, weil es mich so sehr an die Zeit von damals erinnerte, vor 30 Jahren.
Schon auf der Fahrt in die Stadt meiner Jugend, etwa 50 Kilometer entfernt, bereute ich diesen zweiten spontanen Entschluss mit den Jeans. Aber wenn ich umgedreht hätte, um etwas anderes anzuziehen, wäre ich zu spät gekommen. So blieb es bei meinen Jeans. Auch wenn mir schon der erste Blick beim Betreten des Gemeindesaals, wo früher der Konfirmandenunterricht abgehalten worden war und wo jetzt die Feier stattfand, meine Befürchtung bestätigte, dass ich die einzige in Jeans war. Zumindest die einzige Frau. Mein zweiter Blick fiel auf einen Mann, der seine grauen Haaren ganz offen und selbstbewusst in einer wilden Löwenmähne trug, die ihm bis auf die Schultern reichte. Er wirkte wie ein Künstler – und er trug ebenfalls Jeans. Die ihm extrem gut standen. Und die eng genug saßen, seinen Schritt zu betonen und meine Augen wie magnetisch angezogen dorthin zu lenken … Ich sah seine Jeans und musste schmunzeln; er blickte im gleichen Augenblick auf, sah meine – und lachte laut los. Lässig schlenderte er zu mir herüber. „Du bist also auch eine von den Junggebliebenen„, meinte er, als er zuerst mit einer weit ausholenden Geste auf meine Jeans zeigte und mir dann die Hand hin streckte. „Rainer Haske„, ergänzte er dann noch seinen Namen, denn erkannt hätte ich ihn nie und nimmer; auch sein Name weckte lediglich ein vages Echo der Erinnerung an ihn, keine konkreten Eindrücke. „Nur innerlich, Rainer„, erwiderte ich und nannte ihm auch meinen Namen. Seine Augen wurden ernst. „Dreh dich mal„, meinte er. Verwundert über diese Bitte, tat ich dennoch, was er wollte, und drehte mich einmal um meine eigene Achse. Als ich mit dem Rücken zu ihm stand, landeten auf einmal seine beiden Hände sehr energisch, beinahe besitzergreifend, auf meinem Po. „Dachte ich’s mir doch„, meinte Rainer. „Du hast noch immer einen richtig geilen Arsch. Also du bist garantiert nicht nur innerlich jung geblieben.“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Einerseits empörte es mich, dass er mir so selbstverständlich an den Po gelangt hatte. Andererseits erwärmte sein Kompliment mir natürlich auch das Herz, und ich beschloss, nicht prüde meine Lippen zusammenzukneifen, sondern ihn freundlich, sogar ein bisschen flirtend anzulächeln. Irgendetwas flatterte in meiner Brust umher. Vielleicht der erste Anflug des Wissens, doch noch nicht ganz alt, doch noch nicht völlig uninteressant für die Männer zu sein? Auf einmal war ich wahnsinnig froh, dass ich gekommen war, und nahm mir fest vor, diesen Rainer nicht so schnell wieder aus den Augen zu lassen.
In diesem Augenblick näherte sich uns eine Frau, die man wirklich als Matrone bezeichnen konnte; vollbusig, üppig und breit, sehr mütterlich und imposant. Oder auch schlicht und einfach viel zu fett … Da hatte ich ja nun immerhin, was das Gewicht betraf, meine frühere schlanke Figur fast halten können. Die reife Matrone stellte sich uns als einer der Veranstalter der Feier vor und hieß uns willkommen. Sie wies darauf hin, dass wir demnächst unsere festgelegten und per Platzkärtchen bezeichneten Plätze an der bereits mit Kaffeegeschirr gedeckten großen Tafel mitten im Raum einzunehmen hatten. Angesichts ihrer ernsthaften, autoritären Sprechweise kam ich mir auf einmal sehr jung und ungebärdig vor. Ein Hauch von Rebellion erfasste mich. Wieso sollten wir uns auf vorher fest bestimmte Plätze setzen, wie damals als Konfirmanden? Wir waren doch inzwischen erwachsen und konnten uns unsere Sitzplätze selbst suchen! Nur flüchtig wagte ich es, mir einzugestehen, aber die Angst, bestimmt nicht neben Rainer zu sitzen, hatte meine Rebellion mit verursacht. Er schien sie zu teilen, meine Rebellion, denn kaum war die füllige reife Dame wieder verschwunden, legte er den Arm um meine Schultern und zog mich fort, aus dem Gemeindesaal wieder heraus, den ich gerade erst betreten hatte. Und ich wehrte mich nicht dagegen, fortgezogen zu werden. „Lass uns doch einfach zu mir gehen„, schlug Rainer vor. „Wir beide alleine können uns bestimmt einen weit interessanteren Nachmittag machen, als wenn wir auf dieser grässlichen Feier bleiben.“ Mich erfasste eine innere Aufregung, wie ich sie schon lange nicht mehr gekannt und, wie ich jetzt feststellte, als ich sie endlich wieder verspürte, auch sehr vermisst hatte. Zum Teil war es die pure Abenteuerlust – und zum Teil war es Nervosität wie Prüfungsangst. Es war ja ziemlich klar, was Rainer bezweckte, indem er mich „entführte“. Das musste alles auf ein erotisches Abenteuer hinauslaufen. War ich dem gewachsen? Und vor allem – würde ich Rainer wirklich genügen, wenn er mich genauer betrachtete, wenn er mich ausgezogen, nackt, mit all den physischen Nachteilen sah, die reife Frauen höchstens angezogen verbergen können?
Aber es war keine Frage, dass ich mit ihm mitgehen würde. Mir hatte sich der Magen umgedreht angesichts der steifen Atmosphäre im Gemeindesaal, und die würdige, strenge Matrone hatte mich ebenso bedrückt wie angeekelt. Sie war richtig schon eine alte Frau; so fühlte ich mich noch nicht, und so wollte ich mich auch nicht fühlen! Rainer nahm meinen Arm. Es ging die Straße hinunter, bis wir an einen Bach kamen, an dem wir als Kinder oft gespielt hatten. Und genau dort wohnte er; in einem Haus, nicht sehr groß, aber wahnsinnig romantisch und einladend. Schon früher hatte ich das immer bewundert und mir gewünscht, einmal hineingehen zu können, um es mir anzuschauen. Jetzt sollte, 30 Jahre später, mein Traum wahr werden. Nicht dass ich nun in meinen ersten Stunden in diesem Haus allzu viel zu sehen bekommen hätte … Rainer hatte kaum die Tür hinter uns geschlossen, da zog er mich auch schon an sich, drückte sich mit seinem Körper gegen meinen, suchte meinen Mund – und schlüpfte mit den Händen zuerst unter meine Bluse, dann zwischen meine Beine. Eine Weile lang hielt ich einfach nur still. Dann wagte ich es, beide Hände flach gegen seinen Schritt zu legen, der meine Augen im Gemeindesaal so magisch angezogen hatte. Jetzt war er noch auffälliger ausgebeult als vorhin. Zuerst ganz sachte strich ich an der Härte entlang, die ich unter den Handflächen spürte. Rainer griff zu, presste meine Hände fester auf seine Erektion. Ich gehorchte, rieb sie fester und fester. Er stöhnte leise, direkt in meinem Ohr, dann leckte er mir über den Hals und Wellen der Erregung schlugen über mir zusammen. Meine schicke Bluse raubte er mir als erstes, und kurz darauf hatte er meine Jeans geöffnet und zerrte sie herunter. Wir standen noch immer im Flur, da hatten wir es bereits mit vereinten Kräften geschafft, beide nackt zu sein. Rainer kniete vor mir und griff mir mit einer Hand von hinten, und mit einer von vorne in den Schritt. Seine Finger waren so gierig, und obwohl er nun meine nackten Brüste sehen konnte, die schwer herabhingen, schien er nicht abgestoßen zu sein. Dieselbe Gier, die seine Finger so leidenschaftlich machte, zeigte sich auch ganz unverkennbar an seiner immer mächtiger werdenden Erektion. Auf die ich so scharf war, dass ich Kaum Luft bekam. Ich wollte sie spüren – dort, wo jetzt seine Finger eingedrungen waren und auf und ab glitten, dass ich ein Stöhnen nicht zurückhalten konnte. Bis es soweit war, musste ich allerdings noch ein wenig warten; das erste Mal brachte er mich mit seinen Fingern zum Kommen, bevor er mich mit seinem Schwanz nahm; noch immer im Flur, ich auf dem Garderobentischchen sitzend und er vor mir stehend.
An diesem Nachmittag habe ich festgestellt, es gibt nichts, was reife Frauen sich so jung fühlen lässt wie Sex! Seit diesem Nachmittag mache ich den 50 Kilometer Ausflug in die Kleinstadt meiner Jugend öfter mal. Aber nicht für eine Konfirmandenfeier, sondern nur wegen eines einzigen Konfirmanden; wegen Rainer.