Reife Frau über 60 und der neue Mieter
Nachdem mein Mann gestorben und ich Witwe geworden war, hatte ich mich darauf eingestellt, alleine zu leben. Das gefiel mir zwar nicht, aber ich war mir sicher, ich würde es nicht mehr schaffen, mich noch einmal an einen neuen Partner zu gewöhnen. Und mit jemand anderem als einem Partner zusammenleben konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Ich war 61, als ich Witwe wurde; eine Oma, eine Großmutter; nur dass mein Mann und ich keine Kinder hatten und deshalb auch keine Enkel. Jedenfalls, in dem Alter, mit über 60, da gewöhnt man sich nicht mehr um. Man ist einfach zu festgefahren in seinen Gewohnheiten. Alte Omas lernen keine neuen Tricks mehr … Aber dann hat sich alles doch ganz anders entwickelt, als ich das gedacht hatte. Ich hatte nicht gewusst, dass mein Mann seine Lebensversicherung aufgelöst hatte. Ich besaß deshalb nach seinem Tod keine finanziellen Mittel und nur eine kleine Rente. So konnte ich unser gemeinsames Haus nicht halten. Ich hatte nur zwei Möglichkeiten – entweder das Haus verkaufen und mir eine kleine Wohnung suchen, oder auf irgendeine Weise Geld verdienen. Das Haus verkaufen wollte ich nicht; mein ganzes Leben steckte darin! Allerdings hatte ich auch keine Ahnung, wie ich Geld verdienen sollte. Mein Mann hatte darauf bestanden, dass ich nicht mehr arbeiten ging, seit ich über 50 war. Und wer sollte mich jetzt noch anstellen, als reife Frau über 60, als alte Oma, die seit über zehn Jahren aus dem Berufsleben draußen war? Das war hoffnungslos! Vor meinem geistigen Auge sah ich bereits den Hausverkauf als notwendiges Übel, das ich lediglich vielleicht noch ein paar Wochen oder Monate hinauszögern konnte. Aber dann kam mir der Zufall zu Hilfe. Notgedrungen hatte ich in der Wochenendbeilage der Zeitung schon einmal damit begonnen, nach Wohnungen zu suchen. Schon mein erster Blick hinein führte es mir sehr deutlich vor Augen, dass es weit mehr Mieter gab, die auf der Suche nach einer Wohnung waren, als Vermieter, die eine Wohnung zu vermieten hatten. Dutzende an Mietgesuchen sah ich in der Zeitung – und die meisten von denjenigen, die suchten, waren Studenten. Studenten! Es war wie ein Blitz der Erkenntnis. Das Haus war groß genug, dass ich gut zwei oder drei Zimmer vermieten konnte. Eine alte Oma hat nicht mehr so viele Bedürfnisse, auch nicht, was den Raum betrifft. Ich wollte das Haus nur deshalb nicht verkaufen, weil es für mich mein ganzes Leben symbolisierte. Aber wenn ich ein, zwei oder drei Studenten aufnahm, konnte ich denen einen Gefallen tun – und gleichzeitig mir eine Einnahmequelle verschaffen, sodass ich das Haus nicht aufgeben musste.
Ich schrieb mir ein paar der Handynummern auf, die in den Mietgesuchen standen – heutzutage läuft ja alles übers Handy, das sind alte Frauen wie ich gar nicht gewohnt – und machte mich gleich daran, die alle der Reihe nach abzutelefonieren. Die Studenten, die ich erreichte, waren alle total begeistert und wollten gleich vorbeikommen. Nur hatte ich ja noch gar keine Vorbereitungen getroffen; es gab kein einziges leeres Zimmer, das ich ihnen zeigen konnte! Ich musste sie alle auf die nächste Woche vertrösten und ärgerte mich, dass ich so impulsiv gehandelt hatte, ohne nachzudenken und alles sorgfältig zu planen. Damit waren auch alle einverstanden; bis auf einen Studenten. Der sagte einfach: „Ich hab einen anderen Vorschlag für Sie. Ich will Sie ja nicht beleidigen, aber wenn Sie schon eine alte Oma von über 60 sind, dann sind Sie doch bestimmt nicht mehr so fit. Wie wäre es denn, wenn ich gleich einfach vorbei komme, Sie sagen mir, was zu tun ist, und ich mache dann die Arbeit?“ Ich gebe zu, es war nicht sonderlich angenehm, von einem jungen Mann einfach als alte Oma tituliert zu werden – aber es entsprach ja nun einmal der Wahrheit. Frauen über 60 sind nun einmal jenseits von Gut und Böse, sie sind alt. Und eigentlich war es ja ganz nett, dass er mir helfen wollte; warum sollte ich dieses Angebot also nicht annehmen? Mir war zwar klar, dass der junge Mann sich bei mir natürlich auch lieb Kind machen wollte, um später eines der Zimmer bekommen, aber warum nicht? Wenn er sich dafür anstrengen wollte, dann sollte ihm das erlaubt sein! Wir verabredeten, dass er gleich vorbeikommen würde.