Tittenfick | Die fette Agathe
Sicher habt ihr es auch schon festgestellt, dass wir Deutschen immer auf eine bestimmte Normgröße eingerichtet sind. Ob es um Parkbänke geht, um Zahnarztsessel, um die Stühle beim Friseur oder die Liegen in einer Arzt- oder Massagepraxis – das ist immer alles für durchschnittlich große und durchschnittlich schwere Leute hergestellt worden. Wer sehr viel kleiner, sehr viel größer oder aber sehr viel dicker als der Durchschnitt ist, der hat mit diesem Normgrößenzuschnitt immer so seine Schwierigkeiten. Als ich meine Praxis aufgemacht habe – ich bin ausgebildeter Masseur und Physiotherapeut – und die notwendigen Möbel besorgte, hatte ich mit demselben Problem zu kämpfen. Die ganzen Liegen für die Massagen der Patienten waren ausschließlich für „normale“ Leute gemacht. Dabei – wer ist schon normal? Ich selbst mit meinen knapp zwei Metern und einem Gewicht von 120 Kilo bin es ganz gewiss nicht. Erstaunlicherweise sind es jedoch die meisten der Patienten, die zu mir kommen, sodass es wegen der Größe der Liegen und so weiter glücklicherweise keine Probleme gibt. Ich selbst muss ich mich ja nicht darauf legen, sondern ich stehe daneben zum Massieren, oder ich gebe Anweisungen für bestimmte Bewegungen. Das hat mich sehr beruhigt, denn anfangs habe ich noch sehr lange Ausschau gehalten nach Liegen in Übergröße, falls mal besonders große Menschen für eine Massage zu mir kommen sollten. Wenn jemand klein ist, ist das ja kein Problem, dann passt er immer noch auf die normalen Massageliegen. Aber ein großer Mensch wie ich zum Beispiel, der würde da einfach oben und unten über die Fläche hinausragen. Was für ein Glück, dass bisher noch kein überdurchschnittlich großer Mensch Massagen von mir wollte!
Allerdings habe ich eine Patientin, bei der habe ich jedes Mal Angst, dass der Tisch unter ihr zusammen kracht, vor allem, wenn ich dann noch ordentlich zupacke bei der Massage. Und dieses fette Weib ragt zwar nicht oben und unten, aber dafür rechts und links über die Liege. Zum Glück geht es gerade noch so, dass ich sie dennoch gut massieren kann. Diese Frau wiegt bestimmt mindestens genau dasselbe wie ich, etwa 120 Kilo, aber nicht etwa bei einer Größe von zwei Metern und als Mann, sondern als Frau mit einer Größe von gerade mal knapp 1,70. Als sie das erste Mal zu mir kam, hatte ich schon fast Angst, dass sie nicht einmal durch die Tür passt, die ist nämlich ziemlich schmal. Bevor ihr mir jetzt aber einen Vortrag wegen mangelnder Behindertenfreundlichkeit haltet – es gibt bei mir noch einen Hintereingang, und der ist breit genug, notfalls sogar zwei Rollstühle nebeneinander durchzulassen. Die Behindertenfreundlichkeit ist also durchaus gegeben, nur eben nicht beim Vordereingang. Durch diese hintere Tür hätte ich auch die fette Frau notfalls geschickt, wenn sie steckengeblieben wäre. Sobald ich sie wieder herausgezogen beziehungsweise zurück in den Flur geschoben gekriegt hätte … Es hat dann aber doch gerade so gereicht, sie zwängte sich durch die Türöffnung, wobei sie rechts und links anstieß, und stand nun vor mir, so heftig prustend und schnaubend, als ob sie gerade einen Marathon gelaufen wäre. Okay, ich habe meine Massagepraxis im vierten Stock – aber ich war mir ganz sicher, die fette Dame war nicht die Treppen hoch gelaufen, sondern hatte den Aufzug genommen. Falls sie hineingepasst hatte … Am Hintereingang hat man Zugang zu einem sehr breiten und geräumigen Lastenaufzug, aber der vordere Lift, das ist so ein winziges Kästchen, wo zwar offiziell fünf Leute rein passen würden, wenn sie schlank genug sind, wo man dann aber schon dicht gedrängt steht, so wie die Sardinen in einer Büchse liegen. Selbst Leute mit normalem Gewicht können in dem kleinen Aufzug ohne weiteres Platzangst kriegen; wenn sich so ein fettes Weib hineinzwängt, und im Zweifel ringsherum schon gegen die Aufzugwände stößt, dann ist das sicherlich keine angenehme Fahrt.