Es gibt Dinge, die versteht man erst, wenn man eine gewisse Lebenserfahrung besitzt. Bei manchen kommt die mit der Zeit, mit dem Alter automatisch, bei anderen führen einschneidende Erlebnisse dazu, dass sich ihnen diese Türen öffnen. Wenn einem diese Erfahrung fehlt, dann versteht man manche Dinge einfach nicht. Und wenn jemand in einem sehr frühen Alter eine solche einschneidende Erfahrung erlebt, dann kann ihm eigentlich nur jemand helfen, der sie entweder ebenfalls gemacht hat, oder der älter und reifer ist. Das klingt jetzt alles etwas kryptisch; ich weiß. Was ich damit eigentlich sagen will, das ist, dass manchmal ausgerechnet reife Frauen – denn wir Frauen sind ja für unsere Empathie bekannt; wir können einfach besser mitfühlen als Männer – genau die richtigen Ansprechpartner sind, wenn jemand Probleme hat. So hat es sich fast automatisch ergeben, dass ich mit meinen fast 50 für meine halbe Nachbarschaft zu so einer Art Kummerkastentante geworden bin. Ihr wisst ja – die Kummerkastentante, das sind diese Rubriken in den Zeitungen und Zeitschriften, wo man hinschreiben kann. Fragen Sie Frau Barbara oder so ähnlich heißen die oft. Bezeichnenderweise sind das meistens auch reife Frauen, die dabei die Briefkastentante abgeben; ich sagte ja schon, wir Frauen sind einfach besser für den Job der Lebensberatung geeignet! Sicherlich ist auch der klare männliche Verstand manchmal hilfreich, aber gerade bei Schwierigkeiten, die in den seelischen Bereich hineinspielen, sind eher die Intuition und das Einfühlungsvermögen der Frauen gefragt. Wenn man Glück hat, bekommt man von der Briefkastentante sogar eine Antwort; entweder als persönlicher Brief – wobei das heutzutage wohl eher eine Mail wäre als ein Brief -, oder indem sie die eigene Anfrage öffentlich in der Zeitung beantwortet. Was allerdings unter Umständen auch schon mal peinlich werden kann, wenn gute Freunde oder Bekannte an gewissen Anhaltspunkten erkennen, wer damit gemeint ist … Gerade das will man ja eigentlich nicht. Außerdem ist ein persönliches Gespräch, wenn man gerade ziemlich bedrückt und deprimiert ist, eigentlich immer sehr viel angenehmer als so ein kalter und anonymer Austausch per Brief oder Mail mit jemandem, den man gar nicht kennt und auch nicht zu Gesicht bekommt. Von daher ist so eine private Kummerkastentante in der Nachbarschaft eigentlich immer viel besser, als sich an so eine Kummerkastentante bei der Zeitung zu wenden. Dass sich manchmal mehr aus einer solchen Situation entwickelt als einfach nur ein Gespräch über die anliegenden Probleme, Sorgen und Nöte, das ist dann nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen.
Ich bin 48, also eine reife Frau von fast 50, alleinstehend, war nie verheiratet und habe auch keine Kinder. Obwohl ich einen Vollzeitjob habe, habe ich also relativ viel Freizeit, denn keine Familie stellt Ansprüche an mich. Ich habe einen großen Freundeskreis und auch viele Hobbys. Mit am meisten Zeit investiere ich allerdings für etwas, was ich jetzt nicht unbedingt ein Hobby von mir nennen würde, was sich aber einfach im Laufe der Zeit einfach so eingebürgert hat: Ich mache Lebensberatung, denn mit Ende 40 besitze ich nun einmal sehr viel Lebenserfahrung. Nun könnte man natürlich sagen, ohne Ehemann und Kinder fehlen mir ganz wesentliche Dinge, um anderen helfen zu können; aber man muss nicht jede Erfahrung selbst gemacht haben, um sich auszukennen. Als reife Frau über 40 habe ich genug gesehen, um auch in Sachen Ehe und Kinder beraten zu können. Und es ist ja nun nicht so, dass ich mit Männern und Sex gar keine Erfahrungen hätte … Ganz im Gegenteil; als alleinstehende reife Frau besitze ich da alle Freiheit der Welt, was die Erotik betrifft, und die nutze ich auch aus. Diese Beratung mache ich nicht professionell, sondern auf rein privater Basis. Inzwischen konnte ich schon sehr vielen Leuten damit helfen. Und selbst wenn ich mal keine konkrete praktische Lösung weiß – vielleicht, weil es eine solche auch gar nicht gibt -, so hilft es meistens doch schon, sich einfach mal auszusprechen bei jemandem, der gut zuhören kann. Von daher kann ich guten Gewissens sagen, jeder, der sich mit einem Problem an mich gewandt hat, hat aus diesem Gespräch etwas Positives mitgenommen. Zu mir kommen sehr viele Menschen, und zwar Menschen jeden Alters. Da sind Teenager dabei, die mich um Rat fragen, junge Leute, reife Frauen in meinem Alter, die mit dem leeren Nest Syndrom zu kämpfen haben oder damit, dass ihr Mann eine Affäre hat, und sogar teilweise auch noch ältere Leute von über 50 oder über 60. Die Briefkastentante für die alle zu spielen, ist manchmal nicht nur zeitraubend, sondern auch sehr anstrengend. Es kostet viel Kraft, und ab und zu fühle ich mich anschließend wie ausgelaugt. Ich fühle mich aber in gewisser Weise auch dazu verpflichtet, diese Lebensberatung zu machen – denn erstens gebe ich anderen Menschen gerne etwas, und wenn nicht der eigenen Familie, dann wenigstens anderen, und zweitens erfüllt es mich immer auch mit großer Freude, wenn ich jemandem wirklich helfen konnte. Manchmal habe ich davon allerdings auch noch mehr als einfach nur dieses Gefühl der Befriedigung, dass ich anderen helfe. Und nachdem ich jetzt bereits zum zweiten Mal eine solche Andeutung gemacht habe, seid ihr bestimmt schon ganz gespannt, worauf ich denn damit anspiele. Genau das werde ich euch jetzt erzählen.